129. Siebenter Teil
Es ist ein Gesetz der göttlichen Vorsehung, daß der Mensch nicht durch äußerliche Mittel gezwungen werde zum Denken und Wollen, somit zum Glauben und Lieben dessen, was Sache der Religion ist, sondern daß der Mensch sich selbst herbeiziehe und bisweilen zwinge
Dies Gesetz der göttlichen Vorsehung ergibt sich aus den beiden vorhergehenden, welche heißen: Der Mensch soll aus freiem Willen der Vernunft gemäß handeln, worüber Nr. 71-99; und ferner: Er soll dieses aus sich tun, obgleich vom Herrn, also wie aus sich; worüber Nr. 100-128. Da nun‚gezwungen werden‘ nicht heißt‚aus freiem Willen der Vernunft gemäß handeln‘, und auch nicht ‚aus sich‘, sondern aus der Unfreiheit, und aus einem anderen, darum folgt dieses Gesetz der göttlichen Vorsehung in der Ordnung nach den zwei früheren. Ein jeder weiß auch, daß niemand gezwungen werden kann, zu denken, was er nicht denken will, und zu wollen, was er denkt nicht zu wollen, also auch nicht zu glauben, was er nicht glaubt, und am allerwenigsten, was er nicht glauben will; und zu lieben, was er nicht liebt, und am allerwenigsten, was er nicht lieben will; denn der Geist des Menschen oder sein Gemüt ist in voller Freiheit, zu denken, zu wollen, zu glauben und zu lieben. In solcher Freiheit befindet er sich durch einen Einfluß aus der geistigen Welt, welcher nicht zwingend ist; denn der Geist oder das Gemüt des Menschen befindet sich in jener Welt; keineswegs aber durch einen Einfluß aus der natürlichen Welt, der nicht aufgenommen wird, wenn beide nicht zusammenwirken. Der Mensch kann zwar gezwungen werden zu sagen, daß er dies [oder jenes] denke und wolle, und daß er dies [oder jenes] glaube und liebe; wenn es aber nicht Sache seiner Neigung und infolgedessen seiner Vernunft ist oder wird, so denkt, will, glaubt und liebt er es doch nicht. Der Mensch kann auch gezwungen werden, für die Religion zu reden, und ihr gemäß zu handeln; er kann aber nicht gezwungen werden, ihr gemäß zu denken aus einigem Glauben, und ihr gemäß zu wollen aus einiger Liebe. Auch wird ein jeder in den Reichen, in denen Gerechtigkeit und Gericht bewahrt werden, genötigt, nichts gegen die Religion zu reden, und nicht gegen sie zu handeln; dennoch aber kann niemand gezwungen werden, ihr gemäß zu denken und zu wollen; denn es liegt in der Freiheit eines jeglichen, in Übereinstimmung mit der Hölle zu denken, und ihr gemäß zu wollen, oder auch in Übereinstimmung mit dem Himmel zu denken, und dem gemäß zu wollen. Aber die Vernunft lehrt wie der eine und wie der andere beschaffen ist, und was für ein Los den einen und den anderen erwartet, und der Wille besitzt durch die Vernunft Wahlfreiheit und Entscheidung. Hieraus kann man ersehen, daß das Äußere das Innere nicht zwingen kann. Zwar geschieht es bisweilen; daß es aber verderblich sei, soll in folgender Ordnung bewiesen werden:
I. Niemand wird durch Wunder und Zeichen gebessert, weil sie zwingend sind.
II. Niemand wird durch Visionen, und durch Reden mit Verstorbenen gebessert, weil sie zwingend sind.
III. Niemand wird durch Drohungen und Strafen gebessert, weil sie zwingend sind.
IV. Niemand wird gebessert in den Zuständen der Unvernunft und der Unfreiheit.
V. Es ist nicht gegen die Vernunft und gegen die Freiheit, sich selbst zu zwingen.
VI. Der äußere Mensch muß gebessert werden durch den inneren, und nicht umgekehrt.